Die Umsetzung von Resolution 435

Erst nach massivem internationalen Druck (selektive Sanktionen der westlichen Industrieländer 1985/86) und im Anschluß an eine massive militärische Niederlage der südafrikanischen Armee in Südangola 1988 sah sich das Apartheid-Regime veranlaßt, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Am 22. Dezember 1988 wurde in New York ein Grundsatzvertrag zwischen Südafrika, Angola und Kuba über „Frieden im Südwesten Afrikas“ unterzeichnet; in ihm wurde der Beginn des Übergangs Namibias in die Unabhängigkeit gemäß Resolution 435 mit 1. April 1989, die Abhaltung freier Wahlen unter Beteiligung der SWAPO mit 1. November 1989 sowie ein begleitender Rückzug der kubanischen Soldaten aus Angola festgelegt.

Damit waren Unabhängigkeit und Befreiung der letzten Kolonie Afrikas in unmittelbare Nähe gerückt. Per 1. April 1989 übernahmen die Vereinten Nationen die Kontrolle über ihr lange Zeit veruntreutes Mandatsgebiet und installierten eine politische und militärische Aufsicht über die weiterbestehende südafrikanische Verwaltung (UNTAG). Von Anfang an war diese Konstruktion mit Problemen belastet. Schon am ersten Tag der Unabhängigkeitsphase führte die (in 435 vorgesehene) Selbstidentifikation von SWAPO-Untergrundkämpfern in Nord-Namibia zu einem Massaker, bei dem über 300 Guerilleros und Zivilisten ermordet wurden. Und während im Norden die nächtliche Ausgangssperre weiterbestand und Anhänger/innen der SWAPO mit Repressionen konfrontiert waren, wurde der Wahlkampf der Südafrika nahestehenden Parteien gefördert. Zahlreiche Südafrikaner wurden für die Wahlen registriert. Am 12. September 1989 wurde der (weiße) SWAPO-Funktionär, Rechtsanwalt und Bruno Kreisky-Menschenrechts­preisträger Anton Lubowski von südafrikanischen Rechtsradikalen ermordet.

Unter diesen Umständen fanden Anfang November 1989 die vorgesehenen Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung statt. Von den 72 zu vergebenden Mandaten fielen 41 an die SWAPO (die damit die absolute Mehrheit erreichte), 21 an die Demokratische Turnhallenallianz, vier an die United Democratic Front of Namibia und der Rest an Kleinparteien. Die Bedeutung dieser ersten demokratischen Wahlen in der Geschichte Namibias kann sicherlich nicht hoch genug veranschlagt werden: Das namibische Volk erteilte in ihnen einem Jahrhundert Kolonialismus und sieben Jahrzehnten Apartheidpolitik eine klare Absage. Mit überwältigender Mehrheit sprach sich Namibia für Unabhängigkeit und Freiheit von Südafrika, zugleich aber auch für Demokratie, politischen Pluralismus und Versöhnung aus.

Nach wenigen Monaten wurde von der Verfassunggebenden Versammlung in Windhoek die neue Verfassung des Landes einstimmig verabschiedet. Sie untersagt jede Form von Rassendiskriminierung und Apartheid. SWAPO-Vorsitzender Sam Nujoma wurde zum ersten Präsidenten des Landes gewählt, eine Koalitionsregierung von SWAPO, UDF und parteiungebundenen weißen Fachleuten gebildet. Am 21. März 1990 wurde einer feierlichen Zeremonie im Stadion von Windhoek die südafrikanische Fahne eingeholt. Namibia war frei – frei, nach über hundertjähriger Unterdrückung den Weg sozialer Gerechtigkeit und selbstbestimmter Entwicklung zu gehen.

© Walter Sauer

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